Autorin: Anna Webers, M. Sc., 05/2019

Zusammenfassung der Ergebnisse der Befragung der Masterarbeit „Erfahrungen von Schlaganfallpatient*innen und an der Versorgung beteiligten Berufsgruppen mit der „Schlaganfall-Ring-Box“

Hintergrund
Der Schlaganfall verändert das Leben von Patient*innen und Angehörigen und zwingt sie, ihren Lebensalltag an die neue Situation anzupassen. Die Schlaganfall-Ring-Box (S-R-B) basiert auf einem Fragenkatalog, der auf der Grundlage des ICF-Core Sets für eine Patient*innenschulung entwickelt wurde, mit dem Ziel, die Selbstwirksamkeit zu erweitern. Der Schlaganfall-Ring-Schleswig-Holstein hat seit 2016 bislang ca. 1900 Boxen an Patient*innen und in die Schlaganfallnachsorge eingebundene Berufsgruppen verteilt. Allerdings ist bislang unklar, ob die Box die Betroffenen tatsächlich darin unterstützt, ihre Bedarfe und Therapieziele zu identifizieren und zu priorisieren. Eine Evaluation der Anwendung hat bisher noch nicht stattgefunden.

Fragestellungen:

  • „Welche Erfahrungen haben Schlaganfallpatient*innen und an der Schlaganfallversorgung beteiligte Berufsgruppen bei der Anwendung der S-R-B gemacht?“
  • Ist die S-R-B als Selbstmanagementinstrument für Schlaganfallpatient*innen geeignet?
  • Stellt die S-R-B ein Instrument zur Verbesserung von Kommunikation und Austausch zwischen den Berufsgruppen und den Patient*innen dar?“

Die Verbesserung von Kommunikation und Austausch zwischen den Berufsgruppen und den Patient*innen ist kein Ziel der Box, da es sich um ein „Selbstmanagementinstrument für Patient*innen“ handelt, war jedoch im Rahmen der Masterarbeit von Interesse.
Methode / Vorgehensweise
Es wurde der Forschungsansatz der qualitativen Evaluationsforschung nach von Kardorff verfolgt. Hierbei wurden 10 Leitfaden gestützten Interviews durchgeführt. Es wurden 8 Schlaganfallpatient*innen, 1 Ergotherapeutin und 1 Neuropsychologin als Stellvertreterinnen der an der Versorgung beteiligten Berufsgruppen befragt. Die Auswertung des Materials orientiert sich an der qualitativen, strukturierenden und typisierenden Inhaltsanalyse nach Kuckartz. Die Untersuchung wurde im Rahmen einer Masterarbeit durchgeführt.

Ergebnisse
Die Box wird von den Patient*innen und Behandelnden als unterstützendes Instrument zur Selbstreflexion und ersten Einschätzung der Erkrankung gesehen, bietet jedoch keine weiteren Handlungsanweisungen, die aus Patient*innensicht sinnvoll wären. Hierbei benötigen und vertrauen die Patient*innen auf die Expertise der behandelnden Berufsgruppen. Die Therapieziele können aus Sicht der Behandelnden anhand der Box abgeleitet und überprüft werden und ein Abgleich zwischen der Sichtweise der Behandler*innen und Patient*innen ist möglich. Als zusätzliche Darreichungsformen werden von beiden Seiten eine digitale Version der Box gesehen und eine Kurzvariante wird von den Patient*innen für den Einsatz in der akuten Phase nach dem Schlaganfall vorgeschlagen. Wichtig seien, sowohl aus Sicht der Patient*innen als auch aus Sicht der Behandelnden, über die Arbeit mit der Box hinaus, die Möglichkeit des gemeinsamen Austauschs (z.B. Zeiträume für Telefonate zwischen den Behandler*innen) und gemeinsame Dokumentationsformen (z.B. eine digitale Patient*innenakte oder Gesundheitskarte). In der Box sollte aus Sicht der Patient*innen die Möglichkeit für Notizen geschaffen werden. Zudem würden regionale Verweise zu Behandler*innen und Therapiemöglichkeiten in der Box von den Patient*innen als hilfreich erachtet. Auch wünschen sich Patient*innen und Behandelnde Schulungen zur Arbeit mit der Box und zur Zusammenarbeit der Berufsgruppen mit der Box. In der strukturierenden und typisierenden Inhaltsanalyse zeigten sich in Bezug auf den Informationsbedarf drei Haupttypen der Anwender*innen der Box: Patient*innen mit hohem Informationsbedürfnis, mit sukzessivem Informationsbedürfnis und mit situativem Informationsbedürfnis.

Diskussion
Für Betroffene, die sich gerne informieren und mit ihrer Erkrankung auseinandersetzen, stellt die Box ein sinnvolles Instrument zur Unterstützung des Selbstmanagements dar. Der/die Betroffene muss aus Sicht der Patient*innen und Behandelnden selbst körperlich und kognitiv in der Lage sein, die Karten der Box zu lesen, zu verstehen und nach persönlicher Einschätzung einzusortieren. Ist dies nicht der Fall, ist der/die Betroffene auf die Unterstützung von Angehörigen oder Behandler*innen angewiesen, was die Möglichkeiten des Selbstmanagements mindert. Eine Verbesserung des Austauschs unter den Berufsgruppen anhand der S-R-B konnte nicht aufgezeigt werden, da die Box in ihrer derzeitigen Version nicht als Austauschmedium fungiert. Hierfür müssten aus Sicht der Forscherin Anpassungen vorgenommen werden, wie z.B. gesonderte Therapieplan-Karteikarten oder farbig gekennzeichnete Karteikarten, zugeordnet zu den unterschiedlichen Berufsgruppen. Der Austausch zwischen den Berufsgruppen und den Patient*innen kann anhand der Box verbessert werden, da die Patient*innen durch die Informationen der Box eine erweiterte Gesprächsgrundlage erlangen und die Karten als Gesprächsleitfaden dienen.

Was heißt das nun für die Versorgung?
Die S-R-B kann als ein unterstützendes Instrument eingesetzt werden, mit dem sich Patient*innen nach einem Schlaganfall einen Überblick über ihren aktuellen Gesundheitszustand verschaffen und je nach individueller Ausgangslage in ihren Selbstmanagementfähigkeiten gefördert werden können. Die von Patient*innen priorisierten Themen können als Gesprächsgrundlage im Austausch mit den behandelnden Berufsgruppen dienen. Auch wenn die Box den bisherigen Austausch zwischen den Berufsgruppen nicht direkt fördert, könnte die Anwendung der Box in Kombination mit anderen Maßnahmen den Versorgungsablauf optimieren. Mittel- bis langfristig kann mit der Box ein unterstützendes Nachsorgeinstrument in der Schlaganfallversorgung geschaffen werden, welches die Patient*innen-Autonomie stärkt und die Zusammenarbeit mit den behandelnden Berufsgruppen erleichtert. Die Kenntnis der Typen in Bezug auf den Informationsbedarf kann für die Behandlung genutzt werden, um Patient*innen zielgerichtet und bedarfsgerecht zu informieren.